Was sind eigentlich sterile Kolonien? – Begriff, Bedeutung und Bewertung in der Schimmelpilzdiagnostik

Bei der Untersuchung von Schimmelpilzen in Innenräumen stoßen Fachleute regelmäßig auf den Begriff „sterile Kolonien“. Doch was genau ist damit gemeint? Handelt es sich dabei wirklich um sterile, also „keimfreie“ Organismen? Oder steckt hinter dem Begriff etwas anderes?

In diesem Fachbeitrag erklären wir, was sterile Kolonien im mikrobiologischen Kontext bedeuten, wie sie entstehen, warum sie in der Schimmelpilzanalytik eine Rolle spielen und wie sie bei der Bewertung von Schimmelpilzbefall in Innenräumen zu interpretieren sind.


1. Definition: Was sind sterile Kolonien?

Im mikrobiologischen Sinne bezeichnet man als sterile Kolonien solche Pilzkolonien, die auf Nährmedien wachsen, aber keine Sporen ausbilden. Sie bleiben damit unter dem Mikroskop nicht identifizierbar, da die typischen morphologischen Merkmale fehlen, die zur Gattungs- oder Artdiagnose notwendig wären.

Sie sind also nicht keimfrei, sondern vielmehr kultivierbare, aber morphologisch untypische Pilze, deren Identität ohne weiterführende Analytik (z. B. DNA-Sequenzierung) unklar bleibt.


2. Entstehung: Warum bilden manche Pilze sterile Kolonien?

Die Ausbildung von Sporen bei Schimmelpilzen ist stark abhängig von Wachstumsbedingungen wie:

  • Nährstoffzusammensetzung des Mediums
  • Temperatur
  • Luftfeuchtigkeit
  • Lichtverhältnisse
  • Konkurrenz mit anderen Mikroorganismen

Einige Pilze passen sich diesen Bedingungen an, indem sie auf vegetatives Wachstum umschalten – also Myzel ausbilden, aber keine Sporen. Man spricht in diesem Fall von „sterilen Myzelien“.

Diese Form der Anpassung kann auch dauerhaft genetisch bedingt sein – es handelt sich dann um sogenannte „dauerhaft sterile Mutanten“, die auch unter optimalen Bedingungen keine Sporen mehr bilden.


3. Erscheinungsbild: Wie erkennt man sterile Kolonien?

Sterile Kolonien unterscheiden sich im Erscheinungsbild deutlich von klassischen Schimmelpilzkolonien:

MerkmalTypische KolonienSterile Kolonien
Farbepigmentiert (z. B. grün, grau, schwarz)meist weißlich bis cremefarben
Texturpulvrig, flockig, rauglatt, schleimig oder filzig
Oberflächesporenbedecktohne sichtbare Konidien
MikroskopieSporen, Konidienträgernur Hyphen erkennbar

Sterile Kolonien werden oft als unscheinbare, gleichmäßig wachsende weiße Flecken auf dem Nährmedium sichtbar und können mit Hefen oder Bakterien verwechselt werden.


4. Bedeutung in der Schimmelpilzdiagnostik

4.1 Relevanz bei Material- oder Luftproben

In der Praxis, z. B. bei der Analyse von Materialproben aus Schimmelpilzschäden oder bei Luftkeimsammlungen, werden sterile Kolonien regelmäßig nachgewiesen. Ihre Identifikation und Bewertung stellt jedoch eine Herausforderung dar, weil ohne Sporulation keine genaue Bestimmung möglich ist.

Solche Kolonien werden in der Regel im Laborbericht als „sterile Schimmelpilzkolonie“ oder „nicht sporulierend“ angegeben. Sie sind also ein Hinweis auf Pilzwachstum, jedoch ohne taxonomische Einordnung.

4.2 Bewertung nach Schimmelleitfaden

Laut dem Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes (2024) und den Handlungsempfehlungen des Landesgesundheitsamts Baden-Württemberg gilt bei Nachweis steriler Kolonien:

  • Es handelt sich nicht um einen Beweis für gesundheitsschädlichen Schimmelpilz
  • Aber: Ein Vorkommen zeigt mikrobielles Wachstum an – und damit ein Feuchteproblem
  • Eine weiterführende Untersuchung (z. B. DNA-Diagnostik) kann sinnvoll sein

【Quelle: Schimmelleitfaden 2024】


5. Analytik: Wie geht man mit sterilen Kolonien um?

Da sterile Kolonien morphologisch nicht bestimmbar sind, gibt es zwei Wege, mit ihnen umzugehen:

5.1 Ausschluss aus der Bewertung (Standardvorgehen)

Viele Labore bewerten sterile Kolonien nicht weiter und listen sie nur als Hinweis auf „nicht näher bestimmbare Pilzarten“. Dies kann jedoch zu Fehleinschätzungen führen – besonders wenn der eigentliche Schadensverursacher unter den sterilen Kolonien verborgen ist.

5.2 Weiterführende Analytik

Um eine sichere Identifikation zu ermöglichen, kann folgende Diagnostik eingesetzt werden:

  • DNA-Sequenzierung (z. B. ITS-, beta-tubulin- oder calmodulin-Gene)
  • MALDI-TOF Massenspektrometrie
  • Rekultivierung auf anderem Medium zur Stimulation der Sporulation

Diese Verfahren sind aufwändiger und kostenintensiver, bieten jedoch eine präzise Identifikation – insbesondere bei wiederkehrenden oder schwerwiegenden Schimmelschäden sinnvoll.


6. Praxisbeispiele: Wo treten sterile Kolonien häufig auf?

Beispiel 1: Luftproben in sanierten Räumen

In nach einer Sanierung entnommenen Luftproben treten sterile Kolonien häufig auf – als Folge von Stressbedingungen oder Reinigungsmaßnahmen. Sie weisen darauf hin, dass mikrobielles Leben weiterhin vorhanden ist, auch wenn keine typischen Sporenträger mehr existieren.

Beispiel 2: Langzeit-feuchte Dämmstoffe

In Dämmmaterialien mit dauerhafter Durchfeuchtung entwickeln sich häufig sterile Myzelien, die das Material zersetzen, aber keine Sporen mehr produzieren – eine Gefahr für die Bausubstanz, die jedoch visuell und labordiagnostisch schwer zu erkennen ist.


7. Bedeutung für die Sanierung

Sterile Kolonien zeigen, dass mikrobielles Wachstum vorliegt. Auch wenn keine toxikologischen oder allergenen Eigenschaften nachgewiesen werden können, sind folgende Maßnahmen angezeigt:

  • Ursachenermittlung und Feuchtigkeitsbeseitigung
  • Entfernung mikrobiell geschädigter Materialien
  • Keine Toleranz für sichtbares Myzel – auch wenn es „nur weiß“ aussieht
  • Freimessung nach Sanierung, ggf. mit DNA-Nachweis

Die WTA-Merkblätter und die NetzwerkSchimmel-Richtlinie 2022 fordern in solchen Fällen ein vorsorgliches Sanierungskonzept, um auch nicht identifizierte mikrobielle Kontaminationen zu eliminieren.


8. Rechtliche Relevanz

In Mietwohnungen oder öffentlichen Gebäuden (z. B. Schulen) stellt das Auftreten steriler Kolonien einen Hinweis auf Feuchte- oder Hygienemängel dar. Auch wenn eine Gesundheitsgefahr nicht belegt ist, können Mieter oder Nutzer auf Beseitigung bestehen, insbesondere wenn bauliche Ursachen wie Wärmebrücken oder Leckagen vorliegen.

Ein Sachverständigengutachten kann hier Beweis sichern und Handlungsbedarf dokumentieren.


9. Fazit: Sterile Kolonien – ein ernstzunehmender Befund

Sterile Kolonien sind keineswegs harmlos oder belanglos. Sie zeigen an, dass mikrobielles Wachstum unter ungünstigen Bedingungen stattfindet – häufig als Folge eines nicht sichtbaren, aber relevanten Feuchteproblems. Ihre Identifikation erfordert Erfahrung, geeignete Analytik und eine klare Bewertung nach hygienischen und baubiologischen Standards.


Setzen Sie auf Expertise – bei jedem Schimmelverdacht

Wenn bei Ihnen der Verdacht auf Schimmel besteht, die Laborergebnisse aber „nur“ sterile Kolonien ausweisen, sollten Sie den Befund nicht auf die leichte Schulter nehmen. Gerne untersuchen wir die Ursachen, klären die mikrobiologischen Hintergründe und unterstützen Sie bei der Sanierung – neutral, unabhängig und fachlich fundiert.

Nehmen Sie Kontakt mit uns auf:

Sachverständigenbüro Charles Knepper
Kirchweg 4
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Quellen:

  • Umweltbundesamt: Schimmelleitfaden 2024
  • Landesgesundheitsamt BW: Handlungsempfehlungen zur Schimmelpilzsanierung
  • Netzwerk Schimmel e. V.: Richtlinie 2022
  • WTA-Merkblatt E-4-12: Ziele und Kontrolle von Schimmelpilzsanierungen
  • Eigene Fachpraxis aus über 25 Jahren Schimmelpilzdiagnostik

Charles Knepper

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle / Saale

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