Schimmelpilzbelastung am Arbeitsplatz – Ein unterschätztes Risiko: Analyse einer Luftkeimsammlung im Büro

Die Vorstellung, am eigenen Arbeitsplatz gesundheitsschädlichen Einflüssen ausgesetzt zu sein, ist für viele Menschen beunruhigend. Besonders wenn es sich um unsichtbare Gefahren wie Schimmelpilze in der Raumluft handelt, ist das Risiko oft unterschätzt – mit potenziell gravierenden Folgen. Im folgenden Beitrag analysieren wir ausführlich den Befund einer Luftkeimsammlung (LKS) an einem Büro-Arbeitsplatz. Wir erklären die wissenschaftlichen Hintergründe der gemessenen Pilzarten, bewerten die hygienische Bedeutung und geben konkrete Hinweise zur Prävention und Sanierung.


1. Ausgangslage: Luftkeimsammlung im Büro

Im Rahmen einer Raumluftuntersuchung wurde am Arbeitsplatz LKS-04, ARB Platz mittels aktiver Luftkeimsammlung (Impaktion) eine Luftprobe mit einem Luftvolumen von 100 Litern auf zwei verschiedenen Nährmedien erhoben:

  • MEA (Malt Extract Agar) – bevorzugt für schnell wachsende, sporulierende Schimmelpilze
  • DG18 (Dichloran Glycerol Agar) – geeignet für xerophile (trockentolerante) Pilze

Die Kulturen wurden 7 Tage bei 25°C ± 3°C bebrütet und anschließend ausgewertet. Das Ergebnis ist alarmierend.


2. Analyse des Befunds – Nährboden MEA

2.1 Aspergillus versicolor Komplex – 12 KBE / 120 KBE/m³

Dieser Schimmelpilzkomplex gilt als indikativ für Innenraumquellen. Er bevorzugt feuchte, organische Materialien wie Gipskarton, Tapeten oder Holzwerkstoffe.

Gesundheitsrelevanz:

  • Produktion von Sterigmatocystin – ein potenziell krebserregendes Mykotoxin
  • Häufiger Auslöser für allergische Reaktionen und Atemwegserkrankungen
  • Besonders kritisch in dauerhaft genutzten Innenräumen wie Büros

Der hohe Befund (120 KBE/m³) ist hygienisch auffällig und deutet klar auf eine Innenraumquelle hin.

2.2 Cladosporium sp. – 1 KBE / 10 KBE/m³

Cladosporium ist ein häufiger Außenluftkeim, kann aber auch in Innenräumen auftreten – insbesondere an Fensterlaibungen oder in Kondensatbereichen.

Bedeutung:

  • In niedriger Konzentration meist unproblematisch
  • Kann bei empfindlichen Personen allergene Wirkungen zeigen

Der gemessene Wert liegt im Normalbereich für Innenräume.

2.3 Penicillium sp. – 1 KBE / 10 KBE/m³

Ein Indikator für Feuchteprobleme im Gebäude. Penicillium-Arten wachsen bevorzugt auf verputzten Wänden, Tapeten, Holz und Textilien.

Relevanz:

  • Einige Arten produzieren Mykotoxine
  • Häufig allergen und geruchsbildend

Auch dieser Fund bestätigt die Wahrscheinlichkeit einer verborgenen mikrobiellen Quelle.

2.4 Sterile Kolonien – 10 KBE / 100 KBE/m³

Sterile Kolonien sind Kolonien ohne Sporenbildung. Sie sind nicht eindeutig identifizierbar, deuten aber auf aktives mikrobielles Wachstum hin.

Aussagekraft:

  • Klarer Hinweis auf mikrobiologische Aktivität
  • Mögliche Verdeutlichung von verstecktem Schimmelpilzbefall
  • Hygienisch auffällig trotz fehlender Artidentifikation

3. Analyse des Befunds – Nährboden DG18

3.1 Aspergillus versicolor Komplex – 11 KBE / 110 KBE/m³

Die Bestätigung des Befundes auf DG18 zeigt, dass dieser Pilz dominant in der Raumluft vorhanden ist – ein starker Hinweis auf eine aktive Quelle im Innenraum.

3.2 Engyodontium album – 5 KBE / 50 KBE/m³

Ein seltener, aber aussagekräftiger Feuchteindikatorpilz, der auf massive Durchfeuchtung von Baumaterialien hinweist.

Bewertung:

  • Typischerweise zu finden bei alten Wasserschäden, insbesondere auf Putz, Gipskarton, Tapeten
  • Indikatorpilz für chronische Feuchtigkeit
  • Kann bei immungeschwächten Personen Infektionen verursachen

Der Nachweis ist als hygienisch kritisch zu bewerten und spricht für einen aktiven Feuchteschaden im Gebäude.

3.3 Penicillium spp. (3 Arten) – 3 KBE / 30 KBE/m³

Der Mehrfachnachweis verschiedener Penicillium-Arten ist ein Hinweis auf komplexe, teils alte Feuchteschäden. In Kombination mit Engyodontium album und Aspergillus versicolor ergibt sich ein klares Innenraumtypisches Befallsmuster.

3.4 Aspergillus fumigatus Komplex – 1 KBE / 10 KBE/m³

Aspergillus fumigatus ist ein potenziell pathogener Schimmelpilz, der bei immungeschwächten Personen invasive Aspergillosen verursachen kann.

Risiko:

  • Besonders relevant für medizinische Arbeitsplätze, Labore oder Pflegeeinrichtungen
  • In Büroräumen kritisch, wenn dauerhaft erhöht

Der Einzelwert ist niedrig, sollte aber im Kontext gesehen werden.

3.5 Wallemia sebi – 1 KBE / 10 KBE/m³

Ein xerophiler Pilz, der bei geringer Feuchte gedeiht, typisch für Klima- und Lüftungsanlagen, aber auch altes Papier, Textilien und andere hygroskopische Materialien.


4. Bildanalyse – Petrischalen nach 7 Tagen

Die Fotodokumentation zeigt auf den Nährböden (MEA links, DG18 rechts) eine Vielzahl unterschiedlich gefärbter Kolonien:

  • Weißlich-filzige Kolonien – typisch für Engyodontium album
  • Grün-graue Kolonien – typisch für Aspergillus und Penicillium
  • Gelbliche bis dunkle Pigmentierungen – Hinweise auf sporulierende Aspergillus-Komplexe

Die Kolonien mit dichter Myzelbildung ohne Sporulation (auf MEA) deuten auf sterile Kolonien hin.

Das Gesamtbild der Kulturen spricht für eine hohe mikrobielle Belastung der Raumluft.


5. Hygienische Gesamtbewertung

Der Befund ist eindeutig: Es liegt eine wahrscheinliche Schimmelpilzquelle im Innenraum vor – insbesondere durch den kombinierten Nachweis von:

  • Aspergillus versicolor Komplex
  • Engyodontium album
  • Sterilen Kolonien
  • Mehreren Penicillium-Arten

Die Summe der Schimmelpilze liegt mit 230–240 KBE/m³ deutlich über dem zu erwartenden Hintergrundniveau der Außenluft und überschreitet damit die hygienisch unauffällige Schwelle laut Umweltbundesamt.


6. Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz

Verborgene mikrobielle Kontaminationen in Büroräumen oder Produktionsstätten können zu chronischen Beschwerden führen:

  • Reizung der Atemwege
  • Konzentrationsprobleme
  • Chronische Müdigkeit (sick-building-syndrome)
  • Allergische Rhinitis oder Asthma
  • Erhöhtes Infektionsrisiko bei immungeschwächten Personen

Besonders kritisch ist die Kombination aus toxikologisch relevanten (Aspergillus versicolor) und feuchteanzeigenden (Engyodontium album) Pilzen.


7. Maßnahmen und Empfehlungen

7.1 Sofortmaßnahmen

  • Lüftungsgewohnheiten prüfen und verbessern (Stoßlüften, keine Kipplüftung)
  • Verdachtsflächen (Wände, Decken, Hohlräume) visuell inspizieren
  • Weitere mikrobiologische und bauphysikalische Untersuchungen (Feuchtemessung, Endoskopie)

7.2 Sanierungsmaßnahmen

  • Fachgerechte Ursachenbeseitigung (Feuchteeintrag stoppen)
  • Rückbau befallener Materialien
  • Reinigung und Desinfektion betroffener Flächen (HEPA-Absaugung)
  • Kontrollmessung zur Freigabe

8. Fazit: Schimmelpilze am Arbeitsplatz sind kein Bagatellthema

Die vorgestellte Untersuchung zeigt exemplarisch, dass Schimmelpilzbelastung in Büroräumen real und relevant ist. Der Nachweis kritischer Pilzarten wie Aspergillus versicolor und Engyodontium album ist ein deutliches Warnsignal. Arbeitgeber sind in der Pflicht, für einen hygienisch einwandfreien Arbeitsplatz zu sorgen.


Vertrauen Sie auf Sachverstand – bei jedem Verdacht auf Schimmel

Sie vermuten Schimmel an Ihrem Arbeitsplatz oder haben bereits auffällige Befunde vorliegen? Wir helfen Ihnen fachkundig weiter – mit über 25 Jahren Erfahrung in der Schimmelpilzdiagnostik.

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Sachverständigenbüro Charles Knepper
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Quellen:

  • Umweltbundesamt: Schimmelleitfaden 2024
  • Netzwerk Schimmel e. V.: Richtlinie 2022
  • WTA-Merkblatt E-4-12
  • Handlungsempfehlung LGA Baden-Württemberg
  • Eigene Bewertung auf Grundlage mikrobiologischer Standardverfahren

Charles Knepper

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle / Saale

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